es fügt sich, dass das Schreiben dieses Newsletter mit dem Vollmond einhergeht. Für die Alten war dies das klare Signal für einen Wetterwechsel. Zum Beispiel der Wechsel in eine Regenperiode. Wer des nachts aufwacht und durch das Schlafzimmerfenster in das Gesicht des Mondes schaut, fragt sich, was dieser unserer heutigen Zeit lächelnd bereithält. Der Blick auf meine Wetter-App verriet nichts von einem Wetterwechsel. Es bleibt warm, es bleibt trocken und die Tage bleiben pulloverfrei. Ist doch eigentlich ganz schön, oder?!

Ich weiß es nicht. Derzeit findet die Aussaat des Wintergetreides statt. Dieses, im Herbst in die Erde gelegt, keimt üblicherweise sofort. In diesem Jahr ist der Boden vollkommen ausgetrocknet und jeder Schritt auf dem Acker gleicht dem sprichwörtlichen Schritt eines Cowboys in der Wüste Nevadas. Ja, er ist da – der Klimawandel oder Wetterwandel, wie Sie wollen.

Mit diesen Beobachtungen fällt auch unser Erntedankfest zusammen und unser Blick in den Himmel bekommt eine noch umfassendere Bedeutung. Ich will unsere Welt besser verstehen. Ich sehe den Keimling im Boden, der auf den segensreichen Regentropfen wartet, der ihn zu einer nutzbringenden Getreidepflanze macht. Im Moment steht die Natur auf der Bremse, welche Macht auch immer dabei ihre Hand im Spiel hat. Als Bauern sind wir seit Menschengedenken engstens mit dem Wetter verbunden und darin erprobt, uns in Geduld zu üben. Das tun wir hier in Brodowin und es wäre schön, in den nächsten Wochen sagen zu können: „Am Ende wird alles gut!"

Ich komme zurück auf das Erntedankfest. Wie in jedem Jahr freuen wir uns darüber, wieder dazu beitragen zu können, den Berliner Dom mit unserem Leiterwagen und vielen Gaben zu schmücken, aber auch unsere Brodowiner Kirche wird natürlich bedacht. Nach dem Gottesdienst werden die Lebensmittel einer sinnvollen Verwertung zugeführt und erreichen die Tafel in Eberswalde und eine Tafel in Berlin.

Herausfordernde Zeiten für uns Bio-Pioniere

Ich möchte Sie teilhaben lassen an einer Entwicklung, die auch uns sehr zu schaffen macht. Während Statistiken nachweisen, dass die in Deutschland gehandelten Bio-Lebensmittelumsätze zwar um 2% gewachsen sind, sollte man hier genauer hinschauen. Beim Blick in den Markt gibt es gerade krasse Gewinner und umso krassere Verlierer. Vor dem Hintergrund der politischen Verwerfungen der letzten 1 ½  Jahre, der steigenden Energiekosten, der hohen Inflation und einem nachvollziehbaren sehr hohen Sicherheitsbedürfnis der Bürger, wird häufig beim Einkauf von Lebensmitteln versucht, zu sparen. Wir, als Pioniere der Ökobewegung (bitte erlauben Sie mir, dass wir uns in Brodowin dazuzählen), haben unsere eigenen Bauernhöfe, unseren eigenen Handel und unsere eigenen Bioläden entwickelt und gegründet, haben uns mit 100% dem Thema gesunder Ernährung und Artenschutz verschrieben. Das hat seinen Preis. Wir ernten oft weniger als die Hälfte, die Tiere leben länger, geben aber weniger Milch und mit Hilfe von Stilllegungen versuchen wir, die Bodenfruchtbarkeit zu verbessern. Das kostet Geld! Unsere Preise sind deshalb höher, als jene für konventionelle Lebensmittel, bei denen der „wirkliche“ Preis für Natur und Umwelt gar nicht auf dem Preisetikett erscheint.

Wir haben den Dialog mit Ihnen gefunden, indem wir den Biofachhandel mit aufgebaut haben. In unserer Gegend sind das viele einzelne Bioläden, aber auch Bio-Company, LPG, Alnatura und Denns. Wer hier einkauft, kann sicher sein, dass er direkt unsere Art der Landwirtschaft unterstützt. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Preissteigerungen und dem Kostenbewusstsein der Verbraucher, findet das Biowachstum im Wesentlichen bei Discountern statt.

Sie aber können mit Ihrem Einkauf Umwelt-und Naturschutz betreiben. Sie entscheiden, ob wir weitermachen können mit unserer Art der Landwirtschaft. Die Bio-Pioniere haben momentan das Nachsehen. Die Umsätze in unseren Verkaufsstellen, in denen es aus guten Gründen nur Bio gibt, leiden unter Kundenschwund. Wir sind die Verlierer in einem insgesamt wachsenden Markt. Mein Wunsch und meine Bitte an Sie ist: Bleiben Sie uns treu!!!

Wir brauchen Sie, um die ökologische Bewegung zu unterstützen. Das würde uns in diesen schwierigen Zeiten schon sehr helfen.

Mein Blick richtet sich zur strahlenden Sonne und auch ich genieße dieses absolute Wohlfühlwetter. Genießen Sie es mit mir und denken Sie ein bisschen an uns.

Ihr Ludolf von Maltzan